Wie alles anfing
Die Jahrtausendwende stand vor der Tür. Zurückschauen? Nach vorne blicken? Der Künstler Mathias Gentinetta tat beides. Und gründete eine Kupferdruckwerkstatt. War das eine gute Idee?
Ich wollte nicht nur Künstler sein. Ich wollte auch etwas für Künstler*innen tun. Damals wurden Druckgrafik-Lehrgänge gestrichen. Druckwerkstätten verschwanden. Da wollte ich Gegensteuer geben. Und tu’s immer noch. Seit 25 Jahren.
Aber du konntest ja nicht einfach ein paar Maschinen kaufen und loslegen?
Ich hatte in namhaften Druckwerkstätten gearbeitet. Viel learing by sehr viel doing – wie das bei jedem Handwerk so ist. Kupferdrucken: Das ist ja weit mehr als eine eingeschwärzte Platte durch die Presse kurbeln. Es ist ein langer Prozess, der mit der Wahl einer Drucktechnik beginnt. Aus dieser Wahl leiten sich dann die einzelnen Arbeitsschritte ab. Das kann ziemlich aufwändig werden.
Man sagt, es brauche 10 000 Stunden, um ein Handwerk zu beherrschen und Meister zu werden. Wie ist das bei Kupferdruck?
Das soll ja nicht abschrecken! Aber es lässt sich nichts beschleunigen. Das muss man akzeptieren. Du treibst den Prozess an – und der Prozess treibt dich an. Oft musst du Dinge einfach ausprobieren und dabei mit Ideen und Drucktechniken spielen. In seltenen Fällen hilft dir der Zufall. Aber meist kann ich helfen.
Du bist Master Printer. Du bist Werkstattleiter. Du bist Vermittler. Du bist ein Lexikon. Du bist immer rum. Du interessierst dich für die Stories der Werkstattbenutzer*innen. Wie schaffst du das?
Ich wollte nicht einfach ein Dienstleister für Kunstschaffende sein. Ich wollte eine Werkstatt aufbauen, die Wissen lebendig hält und weitergibt. Hier sollen sich alle entfalten können. Ganze Schulklassen kommen zu mir. Machmal ist es richtig laut hier. Machmal hört man die Zeit vergehen. Die Werkstatt ist ein sozialer Ort. Jeder bringt seine Story mit.
Jeder bringt seine Story mit?
Wer hier die Treppe in meine Werkstatt runter kommt, bringt seine Story mit. Das kann eine Idee sein. Oder ein konkretes Projekt. Das kann Neugier sein. Oder Frust. Immer kommt ein Stück Leben mit in die Werkstatt. Das mach den Betrieb so vielfältig.
Bei dir betritt man eine andere Wellt. Labyrinthisch. Geheimnisvoll. Druckpressen. Rätselhafte Werkzeuge. Büttenpapier. Meterweise kunsthistorische Literatur. Räume fürs Ätzen, Belichten, Zuschneiden. Eine kombüsenkleine Küche gibt’s auch. Ist das ein Paralleluniversum?
Die Werkstatt ist eine Welt für sich. Langsam. Analog. Mechanisch. Materiell. Seit Albrecht Dürrer funktioniert das so. Der Kupferdruck wurde nie revolutioniert. Aber er war bei jeder Revolution dabei: als Kommunikationsmedium! Diese kulturhistorische Bedeutung fasziniert mich. Sie ist Teil unserer Story, seit 500 Jahren.
Und wo bleibt die Pixelwelt?
Es gibt durchaus Schnittstellen. Ich selbst arbeite teils digital und teils analog. Druckplatten lassen sich heute fotomechanisch belichten, man muss nicht mehr ritzen und ätzen. So gibt’s auch bei uns eine Art digitale Druckvorstufe, wenn gewünscht. Aber das Spannende ist er Prozess! Das ist die eigentliche Print Story, in der Handwerk, Kreativität, Zufall, Neugier, Lust und Frust Regie führen.
Werden die nächsten 25 Jahre Druckwerkstatt wie die letzten?
Meine Maschinen brauchen kein Update. Wir sind keine Trendbranche. Das Interesse am Kupferdruck und an Druckgrafik ist nach wie vor da. Langeweile gehört nicht zum Konzept der Druckwerkstatt, dafür gehen hier zu viele Menschen ein und aus.
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